Menschen sind einander wichtig, weil darin der Kern unseres eigenen Menschseins liegt. Diese Bedeutung wächst nicht aus Nutzen oder Leistung, sondern aus Nähe, Mitgefühl und dem Erleben, verstanden zu werden. Indem wir andere wahrnehmen und achten, erkennen wir auch uns selbst. Menschlichkeit ist kein äußeres Konzept, sondern die innere Quelle unserer Identität.
Ohne den Menschen gibt es keine Welt – nicht, weil ohne ihn nichts existierte, sondern weil ohne ihn nichts Bedeutung hätte. Die Welt, wie wir sie kennen, ist kein bloß materieller Raum, sondern ein interpretierter, empfundener, erinnerter und geteilter Wirklichkeitszusammenhang. Menschliches Bewusstsein, Wahrnehmung und Beziehung sind die Bedingungen, unter denen Welt überhaupt erst Sinn erhält. Der Mensch ist daher nicht nur Teil der Wirklichkeit, er ist ihr Deutungskern.
Hannah Arendt erkannte dies in ihrer politischen Philosophie, in der sie den Menschen nicht als isoliertes Wesen versteht, sondern als jemanden, der nur im Miteinander, im gemeinsamen Handeln und im öffentlichen Raum wirklich existiert. Für Arendt entsteht Welt dort, wo Menschen sich begegnen, sprechen und handeln. Welt ist kein rein physikalischer Ort – sie ist der Raum zwischen Menschen, ein Raum der Bedeutung und des Austauschs. Wenn der Mensch verschwindet, verschwindet auch dieser Raum.
Auch Erich Fromm warnte eindringlich davor, den Menschen auf ökonomische, nutzbare oder materielle Kategorien zu reduzieren. In Haben oder Sein beschreibt er die Gefahr einer Gesellschaft, die Besitz, Effizienz und Konsum über die eigentliche menschliche Erfahrung stellt. Der Mensch droht in einem solchen System zu verlernen, zu sein: zu fühlen, zu lieben, zu schöpfen, sich als lebendiges und verbundenes Wesen zu erfahren. Materialismus, so Fromm, mag Dinge anhäufen, aber er leert den Menschen innerlich aus, weil er ihn von seiner zentralen Quelle trennt – seiner Fähigkeit, in Beziehung zu stehen.
Doch wenn Gedanken, Bewusstsein, Empfindung, Kunst, Liebe oder Sinn nur als Nebenprodukte chemischer Prozesse gelten, wird das Entscheidende unsichtbar gemacht: die innere Dimension des Menschseins, die keinen materiellen Messwert besitzt, aber jede menschliche Erfahrung trägt. Eine Welt, die nur in materiellen Kategorien erklärt wird, mag berechenbar erscheinen – aber sie ist leblos. Sie erklärt Mechanismen, aber nicht Existenz.
In diesem Punkt berühren sich Materialismus und transhumanistische Strömungen: Beide neigen dazu, den Menschen nicht als Zentrum, sondern als defizitäres Übergangsmodell zu betrachten. Der Transhumanismus denkt den Menschen primär als technisches Projekt, das optimiert, erweitert oder überwunden werden müsse. Verbesserung klingt verlockend, doch in der Konsequenz wird der Mensch zum veralteten Prototyp, zum fehlerhaften Produkt auf dem Weg zu etwas „Höherem“. Was dabei verloren geht, ist die grundlegende Wahrheit: Der Mensch ist nicht die Vorstufe zur Welt – er ist ihre Bedingung. Eine Zukunft, die den Menschen ersetzen will, beraubt sich ihres eigenen Bezugspunktes.
Philosophen wie Søren Kierkegaard oder Martin Buber betonten, dass menschliche Existenz nicht im Objektstatus verstanden werden kann, sondern in der Begegnung. Buber fasst es im Ich und Du: ➜ Der Mensch wird am Du zum Ich. Identität entsteht nicht durch Dinge, auch nicht durch die bloße Erweiterung von Fähigkeiten, sondern im Gegenüber, im Beziehungsraum, im resonancefähigen Zwischen. Eine Welt ohne dieses Zwischen ist kein Fortschritt, sondern Verlust.
Alles, was wir Zukunft, Sinn, Fortschritt, Katastrophe, Schönheit oder Verlust nennen, existiert nur, weil ein Mensch es empfindet und einordnet. Der Mensch ist nicht ein Element der Welt. Er ist ihr zentraler Brennpunkt.
Eine Welt, die den Menschen vernachlässigt, verliert daher nicht nur ihre moralische Richtung – sie verliert ihre ontologische Grundlage. Ohne Menschen bleibt ein Universum aus Materie, aber keine Welt. Keine Bedeutung. Kein Warum. Kein Wir.
➜ Er ist die Antwort auf die Frage, warum es überhaupt eine Welt gibt, die Bedeutung hat.
➜ Er ist nicht der Rand der Zukunft,
➜ Er ist ihr Anfang.
2025-11-12